Tornados in Deutschland - Müssen Sicherheitskonzepte in Zukunft erweitert werden?

15 August 2015
Entgegen der verbreiteten Ansicht gehört auch Deutschland zu einer Tornado-Region. Jedes Jahr treten in der Bundesrepublik etwa 20 bis 60 Tornados auf.

In früheren Jahren wurde dieses Wetterphänomen als kleinräumiger Luftwirbel, Windhose oder Großtrombe bezeichnet. Erst in den letzten Jahren wird auch im deutschsprachigen Raum verstärkt der Begriff Tornado verwendet.


Was sind Tornados?
Tornados sind kleinräumige und kurzlebige Wirbelstürme, die eine extreme Zerstörungskraft haben können. Sie treten fast immer in Verbindung mit Gewittern auf. Die Tornados entfalten ihre schadenbringende Wirkung allerdings erst, wenn der aus der Gewitterwolke trichterartig herauswachsende und rotierende Wolkenschlauch Bodenkontakt bekommt; das ist nicht immer der Fall.

Sie entstehen in der Regel dann, wenn die atmosphärischen Voraussetzungen zur Bildung sogenannter Superzellen - riesige und sich hoch auftürmende Gewitterwolken – günstig sind. Dazu bedarf es besonders warmer und feuchter Luftmassen in den untersten Schichten der Atmosphäre;
Eine weitere Voraussetzung ist die Windscherung, ein Änderung des Windes mit der Höhe hinsichtlich Richtung und Geschwindigkeit. Und auch längst nicht jede Superzelle bringt Tornados hervor.


Der Durchmesser eines Tornados beträgt üblicherweise nur einige Dekameter, im Extremfall auch mal ein Kilometer. Die Lebensdauer eines Tornados überschreitet nur selten einen Wert von mehr als 10 Minuten. Wie seine ihn hervorbringende Gewitterwolke verlagert sich ein Tornado mit einer Geschwindigkeit von üblicherweise 50 oder 60 km/h; im Einzelfall sind aber auch deutlich höhere oder geringere Verlagerungsgeschwindigkeiten möglich. In und um den Tornado sind Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h möglich und hinterlassen oft eine dramatische Schneise der Verwüstung, so der Wetterexperte Bernhard Mühr.


Vorhersage und Warnung
Die exakte Vorhersage eines Tornados ist praktisch unmöglich. Moderne Radargeräte ermöglichen manchmal aber die Identifikation „verdächtiger“ Gewitterwolken anhand typischer Signaturen und Rotationen. Ob allerdings aus der Gewitterwolke tatsächlich ein Tornado erwächst, ob und wann er Bodenkontakt bekommt oder wie heftig er sein wird, lässt sich derzeit noch nicht vorhersagen.

Entsprechend unzureichend sind gegenwärtig auch die Warnungen vor Tornados, die nicht viel mehr sein können, als an einem Gewittertag eine allgemeine Einschätzung des Tornadorisikos in einem Gebiet zu geben.

Zuverlässige Warnungen können im Grunde erst dann erfolgen, wenn ein Tornado gesichtet wird, mit dann allerdings nur sehr kurzer Vorwarnzeit (Minuten).

Wahrscheinlichkeit von Tornados
Bei einer Schwergewitterlage, die die Möglichkeit von Tornados mit einschließt, geht das größere Risiko für Bevölkerung und alle Arten von Veranstaltungen ohnehin eher von großkörnigem Hagel, Starkregen, Blitzschlag oder „normalen“ Gewitterböen aus. Die Wahrscheinlichkeit, einen zerstörerischen Tornado zu erleben, ist angesichts der Häufigkeit seines Auftretens, seiner geringen räumlichen Ausdehnung und seiner kurzen Lebensdauer nur gering.

Die bei Superzellen zu erwartenden heftigen Wettererscheinungen (Sturm oder Orkanböen, Hagel, Sturzregen) können eine umfassende Warnung der Veranstaltungsbesucher, umfangreiche Schutzmaßnahmen, ggf. eine Unterbrechung der Veranstaltung oder eine Evakuierung des Veranstaltungsgeländes zur Folge haben!

Der Entwickler und Sicherheitsexperte Michael Öhlhorn der seit 1998 eine Vielzahl an Veranstaltungen betreut, bestätigt, dass es vor allem in den letzten 3 Jahren immer mehr Räumungen und ernste Unwetterlagen bei Veranstaltungen gibt. Auch kommt es auf Veranstaltungen immer wieder zu Verletzungen durch Blitzeinwirkungen (Quelle: VDE ABB) und andere Unwetterereignisse.



Die modernen Sicherheitskonzepte
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Veranstaltung von einem Tornado heimgesucht wird, sehr gering ist, besteht ferner eine katastrophale Schadensschwere in Bezug auf Personen- und Sachschäden. Allein diese Tatsache erfordert bei dementsprechenden Wetterlagen eine erhöhte Aufmerksamkeit aller Beteiligten und Verantwortlichen.

Zuletzt richteten Tornados beispielsweise große Schäden in Bützow (Mecklenburg-Vorpommern) und in Affing bei Augsburg an.

Für die öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel gelten in vielen Städten und Gemeinden Bestimmungen, die eine Optimierung des Sicherheitskonzeptes zur Folge haben. Diese Maßnahmen sollen sowohl die Teilnehmer vor Verletzungen schützen wie auch den Sachschaden minimieren.

Zu den wirksamsten Schutzmaßnahmen zählen vor allem:
-  Die Einrichtung einer Sicherheitszentrale                                                
Insbesondere bei größeren Versammlungen, zu denen viele Besucher erwartet werden, ist die Einrichtung einer fachkundigen Sicherheitszentrale von größter Bedeutung. Die fachkundigen Sicherheitsfachleute helfen den Besuchern - und den Mitarbeitern – sich im Ernstfall rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

-  Krisenmanagement/ Krisenstab
Unter Krisenmanagement versteht man die Vermeidung bzw. Bewältigung aller Aspekte, die das Weiterbestehen der Veranstaltung gefährden. Der Krisenstab ist das zentrale Krisenreaktionsinstrument. Mithilfe eines vorab definierten Krisenmanagements können grobe Maßnahmen zur Bewältigung von Standardszenarien definiert werden. Der Krisenstab startet nach einer Krisenfrühwarnung aus der Sicherheitszentrale seine Arbeit und kann mithilfe von Fachpersonen den Ablauf der Krise kompetent leiten, steuern und abarbeiten.

-  Zusatzbefestigungen für bewegliche Gegenstände                    
Ab 6 BfT (Beaufort) Windstärke wird es aus der Erfahrung für Besucher auf einer Veranstaltung ungemütlich. Meist müssen ab 5 Bft Teile wie Schirme, Ausschmückungen, Bühnen(anbauten) etc. gesichert werden. Zusatzbefestigung betreffen vor allem leichtere Materialien wie – beispielsweise – Schirme, Ständer, Tische, Ausschmückungen und Bühnen(an)bauten. Die stabilen Befestigungen können verhindern, dass die Gegenstände von starkem Wind mitgerissen werden und dadurch Menschen verletzen oder einen größeren Sachschaden verursachen. Einige Materialien müssen bei entsprechenden Windstärken abgebaut werden. Dazu zählen zum Beispiel Schirme oder Bühnen(anbauten).

-  Gut erreichbare Schutzbereiche für Besucher und Mitwirkende - Räumungskonzept
Eine schnelle Erreichbarkeit der Schutzbereiche innerhalb von wenigen Minuten hat die höchste Priorität, denn die Vorwarnzeit für Tornados ist in den allermeisten Fällen extrem kurz. Es eignen sich dazu feste Hallen und Bauten, oder auch die Fahrzeuge der Besucher. Auch die Änderungen bzw. neuen Forderungen aus der neuen MVStättVO zum Thema Räumungskonzepte bekräftigen eine gute Vorbereitung und Konzeptionierung mit dem Thema Unwetter.

Angemessene Reaktionszeit für die Räumung                          
Selbst bei nah gelegenen Schutzräumen sollte unbedingt eine entsprechende Reaktionszeit eingeplant und ein Umsetzungsvorgehen konzeptioniert werden, die im Notfall dringend erforderlich ist, um alle Teilnehmer schnell und sicher über die laufenden Räumungsmaßnahmen zu informieren.



Die rechtlichen Besonderheiten bei Veranstaltungen
Finden Veranstaltungen unter freiem Himmel statt, werden diese von den gesetzlichen Vorschriften zwar häufig nicht erfasst. Jedoch ist es auch in solchen Fällen den Veranstaltern dringend anzuraten, ausreichende Schutzmaßnahmen vorab zu definieren und während der Veranstaltung auch umzusetzen. Geschieht dies nicht, haftet der private Veranstalter meist für alle Schäden, die aufgrund der mangelnden Sicherheitsvorkehrungen aufgetreten sind.

Bei einem Tornado können die Personen- sowie Sachschäden enorm sein.

Daher kann jedem Veranstalter empfohlen werden, sich vor jeder Veranstaltung unter freiem Himmel von einem Sicherheitsexperten umfassend beraten zu lassen. Die professionelle Beratung und eine gründliche Vorbereitung machen im Ernstfall den Unterschied zwischen einem Unglückund einer leichten Unannehmlichkeit.



Praxistipps und weitere Informationen
Die Vabeg® Experten bieten informative Webinare zum Thema Räumungskonzept und Sicherheitskonzepte an. Diese finden Sie unter: http://www.vabeg.com/web-akademie

Auch von Interesse könnte das kostenfreie Merkblatt des VDE ABB sein, zum Thema Blitzschutz auf Freiluftveranstaltungen welches unter folgendem Link abrufbar ist: www.vde.com/blitzschutz-veranstaltungen

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